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30 Oktober 2018

Schulangst und Schulverweigerung: eine Frage des Bildungsniveaus?

Chemnitz/Zwickau/Meerane.- Verweigert sich der Schüler der Schule oder die Schule dem Schüler? Dieser zentralen Frage stellte sich das erste Fachsymposium der Professor Dr. Clauß Dietz Stiftung „Schulangst und Schulverweigerung – Gründe, Entwicklungen, Maßnahmen“, welches anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Kinder- und Jugendförderprojekts „Start-Off“ am 25. Oktober in Meerane stattfand.
Laut Angabe des Sächsischen Kultusministeriums wurden allein im Jahr 2016 mehr als 6000 Ordnungswidrigkeitsverfahren mit Bezug auf unentschuldigtes Fehlen von Schülern in Sachsen erhoben. Dies macht deutlich, welch große Herausforderung das Thema Schulverweigerung für Schule und Gesellschaft ist. Prof. Dr. Kerstin Popp von der Universität Leipzig erörterte in ihrem Referat unter anderem die mangelnde Belastbarkeit der Daten zur Schulverweigerung, da diese in vielen Bundesländern höchst unterschiedlich erhoben und sich oft nur über die Zahl der verhängten Ordnungswidrigkeiten definieren würden. Darüber hinaus erläuterte sie Formen der Schulverweigerung von Schwänzen über Zurückhalten bis hin zur Verweigerung und stellte die bereits eingangs erwähnte Frage: „Verweigert sich der Schüler der Schule oder die Schule dem Schüler?“
Die verfassungs- und schulrechtlichen Grundlagen sowie die damit einhergehenden Instrumentarien erklärte Anja Meyer, Referentin für Rechts- und Verwaltungsangelegenheiten im Landesamt für Schule und Bildung, Standort Chemnitz. Sie betonte noch einmal den Wert der gesetzlichen Schulpflicht und informierte über den Verfahrensablauf, und die bestehenden Netzwerke bei Schulpflichtsverletzung.
Zum Thema Schulabsentismus und wie diesem in der Praxis begegnet wird und werden kann, äußerte sich Antje Schmidt vom Projekt „start off“ der Professor Dr. Clauß Dietz Stiftung: „Es sind tatsächlich mehr Jungen als Mädchen betroffen und oft müssen erst ganz andere „Baustellen“ in Angriff genommen werden, bevor eine Reintegration in Frage kommt.“ Sie erklärte außerdem, dass die bei „start off“ betreuten Kinder in der Regel ein Jahr begleitet werden und man mit Stolz auf eine 80-prozentige Erfolgsquote schauen kann.
Dass dabei vor allem die persönliche Beziehung zum Betroffenen eine wichtige Voraussetzung ist, bestätigten in einem Praxisgespräch auch Heidi Baumann und Jana Künzel. Die Schulleiterin und die Lehrerin der Rudolf-Weiß-Schule Zwickau räumten ein, dass Schulverweigerung sowie deren Gründe oft schwer zu erkennen respektive zu erfassen sind. In ihren Beiträgen gingen sie auf die Vielfalt der unterschiedlichen Fälle ein und hoben die Bedeutung der frühzeitigen Diagnose von Symptomen des Schulabsentismus, aber auch die Möglichkeiten schulischer Intervention bei der Prävention hervor.
Die insgesamt 87 Fachteilnehmer des Symposiums nutzten rege die Möglichkeiten zur Diskussion und des Erfahrungsaustausches. Vor allem die Situation an den Schulen, die sich oft mit der Problematik alleingelassen fühlen, aber durch die verstärkte Präsenz von Schulsozialarbeitern völlig neue Möglichkeiten der Intervention haben, standen immer wieder im Fokus. Diskutiert wurden in diesem Kontext auch das Ansehen des Lehrerberufes, die Bedeutung der Elternarbeit sowie die Problematik diverser Organisations- und Informationsketten etwa zwischen Schulen und Ordnungsämtern.
„Ich bin hocherfreut über dieses unglaublich spannende und ertragreiche erste Symposium der Stiftung, und würde mich sehr freuen, wenn wir dieses so wichtige Thema im Rahmen einer Folgeveranstaltung vertiefen könnten“ sagte Prof. Dr. Dietz zum Abschluss der Veranstaltung, was auch den Wünschen des Fachpublikums entspricht.
Das Projekt „start off“ der Professor Dr. Clauß Dietz Stiftung arbeitet seit 1998 in Zwickau. In diesen zwanzig Jahren hat man es geschafft, dass 80 Prozent der bis jetzt 216 betreuten Schulverweigerer in den Regelschulbetrieb wieder integriert bzw. in berufsvorbereitende Maßnahmen entlassen werden konnten.
Die Professor Dr. Clauß Dietz Stiftung setzt sich als Stiftung mit dem Schwerpunkt Bildung sachsenweit für die Verbesserung des Bildungsniveaus ein und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kinder und Jugendliche fit zu machen fürs Leben. Das Thema Schulverweigerung und Prävention von Schulabbruch ist seit Bestehen der Stiftung ein Kernthema und eine Herzensangelegenheit für alle Mitglieder, Unterstützer und Förderer. So beispielsweise auch des Kooperationspartners – der DPFA-Schulen gGmbH. Das Kinder- und Jugendförderprojekt „start off“ in der Trägerschaft der Stiftung leistet seit nunmehr 20 Jahren Dank der Förderung des Landratsamtes Zwickau einen wesentlichen Beitrag bei der Begegnung von Schulverweigerung in der Region Zwickau. Wenn auch Sie derartige Vorhaben unterstützen wollen, freut sich die Stiftung jederzeit über Spenden und Kontaktaufnahme durch Kooperationspartner. Über das Projekt und weitere Aktivitäten der Stiftung können Sie sich jederzeit unter www.dietz-stiftung.de informieren.

Quelle und Fotos: DPFA