Seiten

09 März 2020

Zwickauer Rathaus: FDJ wird geduldet, Stadträte dürfen nicht rein?

Westsachsen/Zwickau.- Am Samstag nachmittag, als etwa 100 Teilnehmer der „Demonstration gegen Faschismus und Krieg“ auf den Zwickauer Hauptmarkt einlaufen, ist das Rathaus bereits in der Hand der FDJ. Zwei junge Frauen in Blauhemd und Fahne der FDJ sprechen vom Balkon aus zu den Demonstrierenden (Foto oben). In diesen Zeiten, in denen die Faschisten wieder in den Parlamenten säßen, im Staatsapparat vom kleinen Polizisten, über Richter bis zu den Geheimdiensten tief verankert seien, könne es nicht dabei bleiben, Gebäude wie diese in Frieden zu lassen. Auch einen der großen Fahnenmasten vor dem Rathaus ließ die FDJ nicht unberührt. Ein gut fünf Meter langes blaues Banner mit FDJ-Zeichen wehte, wie sicherlich seit über 30 Jahren nicht mehr.
Stadtrat Sven Georgi (Zukunft Zwickau) beschwert sich: „Wenn der Bundespräsident am Dienstag im Rathaus mit ausgesuchtem Publikum diskutiert, bleiben wir als Zwickauer Stadträte außen vor.“ Das sei vor dem Hintergrund der Aktion vom Samstag geradezu grotesk. „Auf der einen Seite wird zugelassen, dass auf dem Rathausbalkon die FDJ-Flagge gehisst wird, auf der anderen Seite will man zu einer Diskussionsrunde die betroffenen Kommunalpolitiker nicht zu Wort kommen lassen“, so Georgi. Mathias Merz, Pressesprecher der Stadtverwaltung sagt: „Wir können nicht alle Stadträte einladen. Der Platz reicht dafür nicht aus.“ Deshalb sollen nur die Fraktionsvorsitzenden Zugang bekommen. Sven Georgi ist empört: „Ich bin als Einzelfraktionsmitglied automatisch Vorsitzender. Also was soll das?!“
Bereits seit Freitag früh waren die Aktivisten mit der Kampagne „30 Jahre sind genug! Revolution und Sozialismus!“ an verschiedensten Stationen in Zwickau zu sehen. Kattrin Kammrad, Vorsitzende der FDJ, berichtet, dass man fast den gesamten Freitag vormittag vor und im Beruflichen Schulzentrum „August Horch“ verbrachte. Die künstlerischen Mittel, der auf dem Dach liegende Trabi mit Hyäne (Foto unten) seien nicht ohne Wirkung geblieben. „Die Reaktionen gingen in alle Richtungen“, so Kammrad: Eine aufgebrachte Gruppe an Schülern, die „Ost, Ost, Ostdeutschland“ skandierten, aber ruhig wurden, als gegenskandiert wurde: „Was ist unsere Antwort auf Krieg und Faschismus? Revolution und Sozialismus!“, ein diskutierfreudiger Schuldirektor, der partout nicht erkennen konnte, wo der Plan liege, den Sozialismus wieder aufzubauen und den Schülern, die die Hyäne auf dem Trabi scheußlich fanden, weil man ihn viel besser noch hätte tunen können.
Bereits am Freitag nachmittag demonstrierte der Zug durch die Zwickauer Innenstadt. „Dass es die FDJ noch gibt, hätten wir nicht geglaubt“, ist nicht nur einmal zu hören. Ein Polizist, der mit den Aktivisten vom Balkon sprach, meinte denn noch, dass das auch im Sozialismus nicht erlaubt sei.

Quelle und Fotos: Kampagnenbüro der FDJ