Westsachsen/Zwickau.- Die Kunstsammlungen Zwickau verfügen nicht nur über das weltweit einzigartige Max-Pechstein-Museum, eine bedeutende mineralogisch-geologische Sammlung oder einen reichhaltigen Bestand an Gemälden, Skulpturen und Grafiken, die von der Zeit der „Alten Meister“ bis zur Gegenwartskunst reicht. Ein besonderer Schatz ist die sakrale Kunst. Gut 40 Skulpturen, überwiegend aus der vorreformatorischen Zeit, werden seit Oktober 2011 in einem komplett sanierten und neu gestalteten Raum gezeigt. Dass es nach wie vor „Lücken“ in der Präsentation gibt, hängt mit der aufwendigen und neuartigen Restaurierung einiger Sammlungsstücke zusammen. Die Stadt realisiert dieses Projekt dank dem Know How von Fachleuten und dank der Förderung durch verschiedenste Institutionen. Zu den Unterstützern zählt nicht zuletzt die Nachbargemeinde Zwickaus, Reinsdorf. Sie fördert die Restaurierung des zu Beginn des 16. Jahrhunderts von Peter Breuer geschaffenen Vielauer Altars sowie der Reinsdorfer Altarfiguren von Michael Heuffner, die um 1510 entstanden.
Die Sanierung der Plastikhalle, in der seit rund 90 Jahren die Skulpturen ausgestellt wurden, konnte 2010/2011 mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket II realisiert werden. Gleichzeitig wurde die Präsentation nach musealen, kunstgeschichtlichen und museumspädagogischen Aspekten neu konzipiert. Parallel zur Planung dieses Umbaus startete ein umfassendes Projekt zur Konservierung und Restaurierung der Werke. An verschiedenen Stücken hatte nicht nur der „Zahn der Zeit“ genagt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden zahlreiche sakrale Holzskulpturen und Altäre mit einem harzölhaltigen Holzschutzmittel behandelt, um dem Schädlingsbefall durch Holzwürmer Einhalt zu gebieten. Bereits kurze Zeit nach der Behandlung zeigte sich jedoch, dass die eingedrungene Substanz an die Oberfläche der Holzskulpturen wanderte und sich dort durch die Reaktion mit Sauerstoff zu „Harz-Öl-Tränen“ verfestigte. Durch diesen Prozess kam es häufig zur Aufsprengung der Farbfassung, sodass sich Bereiche dachförmig angehoben haben bzw. Teilchen gänzlich abgesprengt wurden.
Nach jahrzehntelanger Forschung gibt es inzwischen eine berührungsfreie Behandlungsmöglichkeit, die das Holzschutzmittel sehr schonend für die Farbfassung aus dem Holz austreten lässt. Dazu werden die Figuren in einem Kessel aufbewahrt, dem ein spezielles Lösemittel in der Dampfphase bei leichtem Unterdruck unter Stickstoff kontinuierlich zugeführt wird. Dabei wird das in den Skulpturen vorhandene Holzschutzmittel gelöst und fließt von selbst ab. Dies ist ein sehr langwieriger Prozess. Derzeit befinden sich die Figuren sowie der Schrein des wertvollen Flügelaltars von Peter Breuer in zwei Kesseln im Extraktionsprozess.
Der Zustand der Skulpturen wird in regelmäßigen Abständen kontrolliert, zuletzt im August 2017 in der Werkstatt des Diplom-Restaurators Karsten Püschner, der das neuartige Verfahren entwickelt hat. Dabei zeigte sich, dass die Entölung der einzelnen Figuren im kleinen Extraktor erfolgreich beendet werden konnte. Im November 2017 ist die Umlagerung der vier Peter Breuer-Skulpturen (Maria, Petrus, Katharina und Barbara) und der Schleier- und Sockelbretter aus der großen in die kleine Anlage geplant, da dort der Extraktionsprozess schneller vonstattengeht. Der Schrein des Vielauer Altars muss aufgrund seiner Größe in dem großen Kessel verbleiben.
Reinsdorf unterstützt das Projekt bereits seit 2011. Insgesamt spendete die Gemeinde fast 28.000 Euro. „Kunst und damit einen Teil der eigenen Geschichte zu bewahren, sollte uns allen ein wichtiges Anliegen sein“, betont Bürgermeister Steffen Ludwig. „Daher unterstützen wir die Kunstsammlungen gerne und mit Überzeugung, auch wenn der Altar aus unserem Ortsteil Vielau und die Figuren aus Reinsdorf inzwischen dauerhaft in Zwickau gezeigt werden.“ Zwickaus Oberbürgermeisterin Dr. Pia Findeiß ist dankbar für die Hilfe: „Die Unterstützung ist auch Zeichen der unkomplizierten und guten Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinweg!“ Weitere Förderer sind beispielsweise die Sächsische Landesstelle für Museumswesen an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden oder der Förderkreis der Kulturstiftung der Länder.
Die Restaurierung der Figuren soll voraussichtlich im Jahr 2020 abgeschlossen sein. Sie komplettieren dann die ohnehin sehenswerte Ausstellung „Im Himmel zu Hause. Christliche Kunst zwischen Gotik und Barock.“ Die dort gezeigten Skulpturen stammen überwiegend aus der Zwickauer Region. Dabei bilden die Altarwerke und Figurengruppen der vorreformatorischen Zwickauer Bildschnitzerwerkstätten von Peter Breuer, Leonhard Herrgott und Michael Heuffner den thematischen Schwerpunkt. Aber auch die sehr qualitätvollen Arbeiten unbekannter Meister können in der Ausstellung (wieder-)entdeckt werden, darunter der figurenreiche Lugauer Flügelaltar, verschiedene Marien- und Heiligendarstellungen oder die im Erzgebirge verbreiteten Bornkinnl-Figuren. Die nachreformatorische Kunst ist durch Engelsdarstellungen, Gedächtnistafeln (Epitaphe) und Einzelfiguren (Prophet und Sibylle) der Schneeberger Bildhauerfamilie Böhme vertreten.
Die vorreformatorischen Werke überdauerten die Reformation, da das Ausmaß der Bilderstürmerei in Zwickau im Vergleich zu anderen Regionen begrenzt blieb. Einige Werke waren in der sogenannten „Götzenkammer“ des Zwickauer Doms St. Marien untergebracht, andere lagerten auf Dachböden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm sich schließlich der Zwickauer Altertumsverein der Kunstwerke an. Mit der Eröffnung des König-Albert-Museums, den heutigen Kunstsammlungen, wurden sie 1914 öffentlich zugänglich gemacht und ab Mitte der 1920er Jahre zusammen mit Leihgaben von Kirchgemeinden ausgestellt.
Quelle und Fotos: Stadtverwaltung Zwickau