Westsachsen/Zwickau.- Mit einer Hommage an Hollywoods Ikonen, Michelangelo und die Wappentiere der Stadt schmückt ein riesiges Graffiti das Zentrum von Zwickau. Hollywood-Größe Jack Nicholson stößt genüsslich Rauch aus. Marilyn Monroe räkelt sich lasziv im knallroten Kleid. Dazu Anleihen an Michelangelos Fresko in der Sixtinischen Kapelle sowie das Wappen von Zwickau. «Alles in allem habe ich daran fünf Wochen gearbeitet», sagte Streetart-Künstler Jens «Tasso» Müller der Deutschen Presse-Agentur. Mit einem letzten Druck auf die Spraydose hat der Meeraner das 130 Quadratmeter große Graffiti im Zentrum der westsächsischen Stadt heute um 11 Uhr fertiggestellt. Anschließend wurde eine kleine Vernissage gefeiert.Die Idee für das Riesen-Kunstwerk mit Blick auf den über 500 Jahre alten Dom hatte Tätowierer Randy Engelhard. Er wurde durch die Sendung «Horror Tattoos - Deutschland, wir retten deine Haut» beim Spartensender Sixx einem breiteren Publikum bekannt. Dass direkt gegenüber seines Tattoo-Studios nach dem Abriss eines Gebäudes eine kahle Wand die Aussicht verschandelte, wollte der Unternehmer nicht hinnehmen. So beauftragte er kurzerhand Tasso und entwarf mit ihm gemeinsam ein Graffiti, das auch den nicht tätowierten Künstler überzeugt. «Es fängt eine Tattoo-Ästhetik ein, weil es wie auf der Haut zwischen den einzelnen Motiven kaum Freiraum gibt», sagt der 51-Jährige.
Noch bevor er richtig loslegen konnte, hatte das Graffiti bereits für Diskussionen gesorgt. Die Stadtverwaltung hatte die Auftragsarbeit zunächst untersagt, weil kein Antrag des Unternehmers vorlag. Und damit auch keine Genehmigung. Zudem hatte sich das Rathaus an diversen Motiven als mögliche Schleichwerbung für den international bekannten Tätowierer gestört. Weil beide Männer in ihrer jeweiligen Szene als weltweite Größe gelten, ging der Graffiti-Streit umgehend viral und ließ Zwickau als bieder und provinziell dastehen. Innerhalb weniger Tage lenkte die Stadt jedoch ein, man einigte sich auf einen Kompromiss. Nach einigen Änderungen des ersten Entwurfs durfte der Streetart-Künstler die Hauswand legal besprühen.
Tasso gehört mit seinen fotorealistischen Arbeiten zu den wichtigsten deutschen Graffiti-Künstlern. Er genießt auch international große Reputation, so die Einschätzung von Marco Schwalbe von der Münchner Kunstmesse Stroke, dem ersten deutschen Branchentreff für urbane Kunst. Noch werde dieser Bereich von der klassischen Kunstszene in der Bundesrepublik weitestgehend ignoriert. In anderen Ländern wie in den USA sei in Zusammenhang mit Graffiti hingegen längst von «new contemporary art» (neuer zeitgenössischer Kunst) die Rede.
Quelle: dpa
Foto: Annegret Thalwitzer