Zwickau.- Der Kampf um die Plätze im Deutschen Bundestag ist in vollem Gange. Das geht auch an der Region Zwickau nicht spurlos vorbei. Die sieben hier aufgestellten Bundestagskandidaten stellen sich bei diversen Veranstaltungen einem meist interessierten Publikum. So wie gestern in den Euro Schulen in der Max-Pechstein-Straße, wo rund 30 Mittelständler die Argumentationen der sechs anwesenden Kandidaten unter die Lupe nahmen. Wolfgang Wetzel von den Grünen fehlte.
Gleich zu Beginn eine brisante Frage: „Wen würden Sie wählen, wenn Sie selbst nicht kandidieren würden?“. Die meisten der anwesenden Kandidaten benannten nach kurzer Überlegung einen der anderen oder favorisierten eine Partei. Nur der unabhängige Kandidat Heiko Richter gab unverholen zu, dass er in diesem Fall wohl zu Hause bleiben würde: „Für mich ist keiner dieser Kandidaten wählbar“, lautete seine Antwort. Helmut Zagermann vom Internationalistischen Bündnis (IB) beklagte die Steuerbelastung der mittelständigen Unternehmen und sprach sich für eine Senkung der Umsatzsteuer auf sechs Prozent aus. Außerdem plädierte er für kostenlose Bildung in allen Bereichen. Das sei gerade bei Studenten trotz BaföG oft nicht gegeben. Viele müssten nebenher jobben und könnten sich deshalb nicht richtig auf ihr Studium konzentrieren. Carsten Körber (CDU) hätte die Bildungskompetenz gern beim Bund, wofür es im Bundestag eine Mehrheit gebe. Ihm schwebt ein bundesweiter Bildungsstandard vor, der höhere Maßstäbe ansetzt und sich nicht an den bildungsschwächsten Ländern wie Bremen und NRW orientiert. Doch dafür verweigerten gerade diese beiden im Bundesrat ihre Zustimmung, so Körber. Beim Thema Rente verwies Mario Pecher (SPD) darauf, dass seine Partei den Mindestlohn eingeführt habe. „Wir haben in Mitteldeutschland einen Lohnzuwachs von 4,5 Prozent“, verkündete er stolz. Das würde sich positiv auf das Rentenniveau im Osten auswirken. Jürgen Martens (FDP) prangerte den Verteilungskampf zwischen Kranken- und Pflegekassen an. Hier stehe teure Apparatemedizin in direkter Konkurrenz mit pflegendem Personal. „Man muss dafür sogren, dass menschliche Pflegeleistungen entsprechend vergütet werden.“ Dann würde es auch Renten geben, die keine Altersarmut entstehen ließen, so Martens weiter. Sabine Zimmermann (LINKE) beklagte, dass in Deutschland immernoch 2,7 Millionen Menschen in Armut leben müssten und forderte deshalb einen Mindestlohn von nicht unter 11,85 Euro. Der unabhängige Kandidat Heiko Richter plädierte für einen kompletten Neustart des Rentensystems. Er sieht im Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) die Lösung des Problems. Für Mario Pecher (SPD) ist das Quatsch: „Das BGE ist für mich bezahlte Faulheit“.
Beim Thema „Industrie 4.0“ kamen die meisten Kandidaten ins Schleudern, weil sie die komplexen Zusammenhänge nur bruchstückhaft verstanden oder nicht auf dem neuesten Stand der Entwicklung waren. Lediglich der unabhängige Kandidat Heiko Richter konnte anhand eines Beispiels detailliert erklären, wie Arbeit in Zukunft und teilweise auch heute schon digital organisiert wird. Auf die Frage aus dem Publikum, ob das Bargeld bald abgeschafft werde, reagierte der CDU-Kandidat Carsten Körber energisch. Niemand habe vor, das Bargeld abzuschaffen. Das sei völliger Blödsinn: „Das Thema ist durch und meine Partei teilt diese Einschätzung.“ Brigitte Brode von der Lebenshilfe Westsachsen e.V. beklagte, dass sie für das Inkasso von Schulessen eine extra Arbeitskraft beschäftigen müsse, weil viele Eltern die Zahlungen schlicht nicht mehr leisten könnten. Ihre Frage deshalb an alle: „Welcher Kandidat würde sich dafür einsetzen, dass Essen kostenfrei zur Verfügung gestellt wird?“ Ausgerechnet der SPD-Kandidat meldete sich nicht. Mario Pecher ist das zu teuer: „Das war eine Forderung der AfD im Sächsischen Landtag. Das würde den Freistaat Sachsen rund 500 Millionen pro Jahr kosten“. Er habe außerdem Bedenken, dass dann neben bedürftigen Hartz4-Kindern auch Kinder aus besseren wirtschaftlichen Verhältnissen davon profitieren könnten.
Bereits am 24. August fand in der Kopernikusstraße eine ähnliche Veranstaltung vor Senioren statt. Damals ging es auch um das Rentenniveau, obwohl Carsten Körber (CDU) das Thema gerne aus seinem Wahlkampf ausgeklammert hätte. Andere politische Kräfte könnten dies für ihre Zwecke ausnutzen, so seine Befürchtung. Sabine Zimmermann (LINKE) forderte eine Mindestrente von 1050 Euro monatlich, da die Armustgrenze bei 1033 Euro läge. Auf die Frage aus dem Publikum, ob der amtierende CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Körber denn wüsste, dass in der Eifel noch US-Amerikanische Automwaffen lagerten, antwortete dieser: „Ja, das weiß ich. Diese Bomben sind Teil des Abschreckungskonzeptes der Nato und für uns im Extremfall strategisch wichtig.“ Darauf antwortete der Fragesteller: „Danke, das wollte ich wissen. Damit sind Sie für mich nicht wählbar.“ Sabine Zimmermann (LINKE) und der unabhängige Kandidat Heiko Richter sprachen sich klar gegen die Lagerung von Atomwaffen auf deutschem Boden aus.
Text und Fotos: ZPA/Olaf Thalwitzer
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