05 Januar 2021

Nachrecherchiert: Überbelastung im Bestattungswesen offenbar erfunden

Westsachsen/Zwickau.- In der letzten Sitzung des Zwickauer Stadtrates, die aus Gründen des Seuchenschutzes im Ballhaus „Neue Welt“ stattfand, beantwortete Baubürgermeisterin Kathrin Köhler (CDU) eine Anfrage von Stadträtin Ute Brückner (Linke) zu der von ihr behaupteten Überbelastung des Bestattungswesens in Zwickau. Hierbei zeichnete Köhler ein düsteres Bild von einem angeblich auf Hochtouren arbeiten müssenden Bestattungswesen, welches nur unter Aufbietung aller Kräfte der aktuellen Situation Herr werden könne. Köhler wörtlich: „Die Mitarbeiter im Krematorium arbeiten derzeit in drei Schichten und an den Wochenenden und Feiertagen. Das Personal wurde aufgestockt. Es wird von den Mitarbeitern das Bestmögliche getan, um die Situation zu bewältigen“ (Link zum Video).
Wie schlimm die Situation tatsächlich ist, zeigen unsere Fotos. Zum Lokaltermin gestern auf dem Städtischen Friedhof war von aufgestocktem Personal in Dreischichtarbeit nichts zu erkennen. So weiß man weder im Krematorium am Zwickauer Hauptfriedhof noch beim Friedhofspersonal irgend etwas von einer Ausnahmesituation. Im Gegenteil: die ersten Tage des Jahres fallen für die im Bestattungswesen Beschäftigten eher ungewohnt ruhig aus. Die örtlichen Friedhöfe liegen weitgehend friedlich und verlassen unter dem ersten Schnee dieses Winters.
Wie dortige Mitarbeiter versichern, ist die Auftragslage eher zurückgegangen als gestiegen, so dass am ersten Werktag des Jahres in der Trauerhalle des Hauptfriedhofes lediglich vier Trauerfeiern zu betreuen waren und gestern noch drei (siehe Tafel). Eine Nachfrage im Garten- und Friedhofsamt der Stadt Zwickau, welche konkreten Belege es für die von Kahrin Köhler behauptete Überbelastung gebe, erbrachte ebenfalls keine Erkenntnisse. Hier gibt man an, dass weder der Amtsleiter Jörg Voigtsberger noch dessen Untergebene Auskunft zu diesem Thema erteilen dürften. Grund dafür sei eine Dienstanweisung, nach der nur die Pressestelle des Rathauses zu diesbezüglichen Auskünften berechtigt sei. Dies ist umso verwunderlicher, da sich Voigtsberger selbst noch vor kurzem mit der Aussage „Wir sind voll“ der „Freien“ Presse gegenüber an der derzeitigen Panikmache beteiligt hatte.
Die Fäden der (Nicht-)Information laufen demnach wieder einmal im Zwickauer Rathaus, und hier speziell bei Rathaussprecher Mathias Merz, zusammen (WSZ berichtete).
Die Anfrage des Rechercheteams der Westsäschsischen Zeitung, aufgrund welcher Daten Baubürgermeisterin Köhler ihre offensichtlichen Falschmeldungen im Dezember herausgab, blieb bis heute sowohl von Köhler selbst wie auch von der Pressestelle des Zwickauer Rathauses unbeantwortet.

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