Der Ort ist dabei nicht zufällig gewählt: Im Oktober 1520 fand Thomas Müntzer an dieser Kirche seine erste feste Anstellung als Prediger, nachdem er bereits ein halbes Jahr vorher als Vertreter an der Marienkirche tätig war. Obwohl seine Dienstzeit an St. Katharinen nur ein halbes Jahr währte, begleiteten ihn die hier gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse bis zu seinem Lebensende 1525. In diese Zeit fällt die Bekanntschaft mit dem Tuchmacher Nikolaus Storch und seinen Anhängern, aber auch das Kennenlernen sakramentskritischer Zirkel; hier verdichtet sich Müntzers apokalyptisch durchtränkte Sozialkritik, die ihm den Weg in die Radikalität bahnen sollte.
Müntzers Zwickauer Aufenthalt fällt in die frühen Jahre der Reformation, in der noch vieles in Bewegung war. Zunächst freudig und auf Empfehlung Martin Luthers vom reformatorisch wohlgesinnten Stadtrat aufgenommen, musste Müntzer Zwickau Ende April 1521 verlassen, nachdem er bereits zu dieser Zeit wesentliche Grenzen der lutherischen Reformation bemerkt und angeprangert hatte. Die rege Zwickauer Laienbewegung, die sich hauptsächlich in der Katharinenkirche traf, hatte ihm gezeigt, dass die christliche Botschaft unabhängig von Stand und Bildung den Menschen in der Tiefe erreichen kann. Träume und innere Offenbarungen begannen für Müntzer eine immer wichtigere Rolle zu spielen, ebenso wie die Überzeugung, dass wahrer christlicher Glaube Konsequenzen bei der Gestaltung von Politik und Gesellschaft fordere.
Die vom Künstler Christian Siegel in Zusammenarbeit mit Picto (Hirschfeld) gestaltete Ausstellung ist in drei Themenbereiche aufgeteilt: 1. Die Katharinenkirche als historischer Ort zu Müntzers Zeiten 2. Der Traum von göttlicher Ordnung in der Welt und 3. Geschichte einer Verleumdung: Die Müntzer-Storch-Legende. Der erste Themenbereich verdeutlicht die Katharinenkirche als entscheidende Erfahrungswelt für Müntzers weiteren Lebenslauf. Einen virtuellen Einblick in diese bewegte Zeit verschaffen zwei Zinndioramen, die der Modellbauer Joachim Böttcher ausschließlich für diese Ausstellung gebaut hat. Eines der Modelle lässt auf das Innere der Katharinenkirche blicken, in der Thomas Müntzer seine berüchtigte Weihnachtspredigt vom 26. Dezember 1520 hält. Für die Szene des kleineren Modells hat sich der Modellbauer vom historischen Roman Otto Riedels Der Bildschnitzer von Zwickau inspirieren lassen und das Auftreten predigender Frauen dargestellt. Der zweite Themenbereich versammelt in Form von Text und Bild Traum- und Reformvorstellungen zu Müntzers Zeiten und sorgt damit für einen gesamtinhaltlichen Hintergrund. Eine thematische Neuerung stellt der dritte Themenbereich dar: Erstmals widmet sich eine Ausstellung der Müntzer-Storch-Legende, die in Ansätzen ebenfalls in Zwickau ihre Ursprünge hatte und dazu diente, Thomas Müntzer und Nikolaus Storch zu verunglimpfen: Thomas Müntzer als teufelsbesessener Aufrührer und Nikolaus Storch als Gründer des verhassten Täufertums. In diese Formen gegossen, war ein objektives Gedächtnis an diese Vertreter der Frühreformation für Jahrhunderte nicht möglich.
Thomas Müntzer und die Katharinenkirche treten damit vereint vor die Öffentlichkeit und verdeutlichen das historisch einmalige Erbe, das das Gotteshaus zur Stätte der Reformation und Trägerin des Europäischen Kulturerbesiegels macht. An kaum einen anderen Ort sind die wechselvollen Anfangsjahre der Reformation in dieser Dichte erlebbar, wie hier in der Zwickauer Katharinenkirche.
Samstag, 03.10.2020, 14.00 Uhr
Eröffnungsvortrag von Dr. Thomas T. Müller (Mühlhausen):
„Luthers unbequemer Jünger: Thomas Müntzer in Zwickau“
Eintritt frei. Ort: Katharinenkirche Zwickau
Dr. Thomas T. Müller ist Vorsitzender der Thomas Müntzer-Gesellschaft und Leiter der Mühlhäuser Museen. Seit vielen Jahren forscht und veröffentlicht er zur Person Thomas Müntzers, zum Bauernkrieg und zur vorreformatorischen Frömmigkeit. In seinem Vortrag wirft er ein Licht auf Thomas Müntzers Frühzeit, in der er noch als Lutherfreund galt. Die Einigkeit beider Reformatoren erfuhr jedoch bereits in Zwickau erste Risse, die schließlich nie wieder verheilen sollten.
Öffentliche Führungen:
Donnerstag, 8. Oktober 2020, 16.00 Uhr
Donnerstag, 15. Oktober 2020, 16.00 Uhr
Donnerstag, 22. Oktober 2020, 16.00 Uhr
Donnerstag, 29. Oktober 2020, 16.00 Uhr
Donnerstag, 5. November 2020, 16.00 Uhr
Donnerstag, 12. November 2020, 16.00 Uhr
Öffentliche Führungen im Advent - Joachim Böttcher (Zinnbauer) stellt seine Zinnmodelle zum Thema vor:
Samstag, 28. November 2020, 17.00 Uhr
Samstag, 12. Dezember 2020, 17.00 Uhr
Samstag, 19. Dezember 2020, 17.00 Uhr
Für die öffentlichen Führungen und die Adventsführungen wird um Voranmeldung unter 0375 2743510 oder Matteo.Rebeggiani@Zwickau.de gebeten. Eintritt (pro Person): 2 Euro. Es gelten die aktuellen Hygienevorschriften.
Weitere Veranstaltungen:
Freitag, 6. November 2020, 19.30 Uhr
Holyslam- Words for Jesus. Zweiter christlicher Poetry-Slam in Zwickau
Du kannst gut mit Worten umgehen? Du hast etwas über Gott und die Welt zu sagen? Dann bist du hier genau richtig! Melde dich jetzt als Slammer an und teile deine Gedanken mit anderen! Zuhörer sind herzlich willkommen! Der Eintritt ist frei.
Ort: Katharinenkirche.
Anmeldung unter:
E-Mail: poetryslam@jupfa-zwickau.de
Tel.: 0157 53698359
Anmeldeschluss ist der 1. November 2020.
Eine Co-Produktion vom Jugendpfarramt Zwickau und der Evangelisch-Lutherischen Stadtkirchgemeinde Zwickau.
Donnerstag, 19. November 2020, 19.00 Uhr
Müntzer und Schauspiel
„Blickwinkel – Ein Perspektivwechsel auf Thomas Müntzer und seine Zeit in Zwickau“
Tanztheater mit dem Mondstaubtheater Zwickau e.V.
Ort: Katharinenkirche
Quelle und Foto: Stadtverwaltung Zwickau